Kurz vor der Pandemie waren wir im Januar 2020 auf einer Indienreise zu den Top 5 Pilgerorten unterwegs. Diese Pilgerreise durch Nordindien war wohl für alle Beteiligten etwas besonderes, so auch für mich als Reiseleiter. Tatsächlich habe ich bei der Planung einen Fehler gemacht, und die Indienreise 6 Wochen zu früh angesetzt, es war insgesamt zu kalt. Aber die wunderbare Gruppe trug es mit erstaunlicher Gelassenheit und wir haben das Beste draus gemacht. Die 5 ausgewählten Pilgerorte sind wohl das beste, was Nordindien zu bieten hat, und so trug die segensreiche Kraft der Plätze zu einem rundum gelungenen Abenteuer bei. Ich freue mich, dass der folgende Text einen ungeschönten Eindruck von Indien vermittelt, von dem Auf und Ab welches eine Pilgerreise mit sich bringt.
Also herzlichen Dank für die Eindrücke aus dem Indienreise-Tagebuch! Narada
Prolog: Eindrücke meiner Indienreise
30 Jahre meines Lebens schwoll der Wunsch in mir an und ab, eine Indienreise zu machen. Der Samen wurde gelegt als ich 18 war und mein Patenonkel von seiner Indienreise berichtete. Dann kamen aber die Ausbildung, das Studium, die erste lange Beziehung. Die Sehnsucht nach Indien verschwand. Zwischendurch wurde der Wunsch wieder größer. Vor ein paar Jahren las ich Shantaram und ich wusste: dieses Land muss ich bereisen! Die vielen Berichte über den Umgang mit den Frauen dort und die Armut ließen jedoch immer wieder Zweifel in mir aufkommen.
Seit 2010 übe ich Viniyoga, eine sehr meditative Richtung. Mit der Zeit lernte ich auch Vinyasa, Iyengar und Kundalini kennen. Und viele Yogalehrerinnen, die mich fast alle beeindruckten. Die Beschäftigung mit dem spirituellen Überbau blieb nicht aus. Eine Krise, die mich meine ganze körperliche Kraft kostete, führte mich in eine Ausbildung zur Yogalehrerin. In diesen 10 Monaten fand ich tatsächlich etwas, wonach ich wohl schon mein ganzes Leben suchte. Insbesondere Bhakti, dem ich anfangs ziemlich unoffen gegenüber war, löste etwas in mir aus und auf. Ich wurde körperlich, seelisch und geistig stärker. Elke, inzwischen eine sehr gute Freundin, erzählte in der Ausbildung immer wieder von ihrer Reise nach Rishikesh und der Zeit im Ashram. Irgendwie entstand so der Plan, gemeinsam nach Nordindien zu reisen. Wir entschieden uns für eine Indienreise mit PURNAM. Narada, dessen Texte ich während der Ausbildung immer wieder gelesen hatte, war der Reiseleiter.
Die Reisezeit war der 10. bis 27. Januar 2020. Diese Zeit war sehr intensiv, in positiver wie negativer Hinsicht. Manches Mal bin ich an meine Grenzen gekommen. Missen möchte ich jedoch keine einzige meiner Erfahrungen. Und wenn die Weltlage es zulässt, möchte ich auch wieder nach Indien reisen.
Es folgen einige ungefilterte Eindrücke aus meinem Reisetagebuch.
10. bis 12. Januar, Ankunft in Delhi und Haridwar
Am Flughafen finden Elke und ich ohne Handy unsere beiden Reisegefährtinnen für die Taxifahrt nach Haridwar. Delhi nimmt kein Ende. Viele weiße Mittelklasseautos. Fast nur Männer, viele in Decken gehüllt. Ein alter Mann fährt Rad auf der Autobahn und das auch noch als Geisterfahrer! Ich schlafe ein. Beim Aufwachen kleines Lichtspiel im 3. Auge, über das ich mich freue. Das Essen in der Raststätte ist lecker aber der Chaj mit Milch verursacht mir Übelkeit. Bereits nach 6 Stunden kommen wir im Aurovalley Ashram bei Haridwar an. Narada lädt uns zum Teetrinken ein. Hier auf dem Land fühle ich mich an Sri Lanka erinnert. Auf einmal sind auch viele Frauen und kleine Mädchen zu sehen. Kühe natürlich auch, die sich selbstverständlich einfügen. Ein einheimischer Lehrer gesellt sich zu uns und radebrecht mit uns. Der Tee (jetzt ohne Milch) ist fantastisch, die Gewürze hierfür werden eigens gemahlen. Nach dem Abendessen in Stille erzählt Narada uns in gemütlicher Runde wie die Indienreise ablaufen soll. In englisch, da mit Kavita eine einheimische Reiseleiterin dabei ist. Mit Gauri, der Yogalehrerin, sind wir 14 Reisende.
Nach dem einfachen aber leckeren Frühstück gibt es eine 90minütige Yogastunde. Der Blick aus dem Fenster dabei: Bäume, dahinter der Himalaya. Was für eine Vorstellung, und ich darf hier an diesem Ort sein. Der Satsang mit dem Swami findet in englisch statt mit spanischer Dolmetscherin. Das synchrone Sprechen irritiert mich. Das kleine Mädchen, das schon drei Monate mit seiner Mutter hier ist, stellt kluge Fragen:
- Warum sind wir traurig, wenn wir einen Ort verlassen?
- Why is so complicate that we always have to ask questions?
Ausflug in die Altstadt von Haridwar. Ich habe es mir voller vorgestellt und entspanne mich. Mitten auf der Straße liegen ein Mann und eine Frau, bettelnd. Die Frau hat ein Bein aus Pappe, die Zehen sind aufgemalt. Auch sonst viel Armut aber auch gut gekleidete Menschen. Das Arati ist unglaublich eindrucksvoll und treibt mir Freudentränen in die Augen.
14. bis 16. Januar, Rishikesh
Mit dem Bus fahren wir 45 Minuten nach Rishikesh, das Gepäck abenteuerlich auf das Dach geschnallt. Ich erfahre wie Gauri den Weg zur Yogalehrerin gefunden hat. Das Zimmer im Dayananda Ashram ist furchtbar. Die anderen scheinen recht zufrieden. Elke und ich lachen. Es ist kein Wellnessurlaub. Der würde uns auch nicht weiterbringen. Der Yogaraum ist dafür schön mit Holzboden und für Iyengar geeignet. Der Blick geht auf den Ganges, der hier oben ganz sauber ist. Wäre es nicht so kalt, würde ich hineingehen. Die Vorstellung, das zu Hause zu erzählen! Aber immerhin weihe ich meine neue Mala im Ganges. Zu Dritt machen wir ein richtiges kleines Ritual daraus mit Mantragesang.
Nach dem Yoga laufen wir zum Sivananda Ashram. Wir singen Hare Krishna für den Weltfrieden. Wundervoll! Wir schauen uns das Grab von Sivananda an. Be good, do good. So einfach. So wertvoll als Lebensmaxime. Auf dem Rückweg verstauche ich mir auf der Treppe im Dunkeln den Fuß. Weil ich unachtsam war. Und ich habe das Gefühl, dass etwas ganz Einschneidendes in meinem Leben passieren wird. Zum Glück kann ich den Fuß gut bewegen und weiterlaufen. Die Nacht ist ein Alptraum: Matratze zu hart trotz dicker Decke. Das Bettzeug ist schmutzig und ich bin dankbar für meine Eingebung, einen Hüttenschlafsack mitzunehmen. Bei jeder meiner 30 Umdrehungen verrutschen die Decken und ich wache auf. Dann muss ich auch noch auf Toilette und kann mich nicht richtig hinknien mit dem geschwollenen Fuß. Zum Glück habe ich kaum Schmerzen, da eine Mitreisende ein Heilungsritual vollzogen hat. Überhaupt erfahre ich viel Hilfsbereitschaft von den anderen Frauen. Die eine gibt mir einen stützenden Strumpf, die andere Globuli.
Am nächsten Tag empfängt uns der leitende Swami des Sivananda Ashrams, Swami Yogaswarupananda. Er lässt Süßigkeiten verteilen und kleine Schriften von Sivananda und Chidananda. Er erzählt uns lustige Geschichten aus seinem Leben. Wir sollen vor der Krishna-Statue meditieren und die Vibrationen spüren. Ich spüre nicht, meditiere auf be good, do good. Atem ein Atem aus. Elke hat was gefühlt. Beim Mittagessen erfahre ich zufällig, dass alle anderen eine europäische Toilette haben. (Abends können wir in ein besseres Zimmer ziehen.)
Wir überqueren die zweite Kettenbrücke, auf der viele Affen residieren, und sitzen in einem Café hoch über dem Ganges, haben also eine fantastische Aussicht. In der Buchhandlung nebenan entdecken wir Yogabücher, die wir in der Ausbildung gelesen haben. Auf dem Rückweg über die Brücke krallt sich ein großer Affe in meinen Arm und will mir den Schal abreißen. Ich bin so erschrocken, dass ich ihn anbrülle. Der Affe weicht zurück und brüllt zurück. Im Nachhinein eine der lustigen Geschichten, die ich zu erzählen habe. In dem Moment frage ich mich jedoch, ob der Verzicht auf die Tollwutimpfung so gut war. Nach dem Abendessen sind wir beim leitenden Swami des Dayanana-Ashrams. Er sieht mit seinem orangen Tuch auf dem Kopf aus wie E.T. und sitzt wie Yoda in seinem Sessel. Er erzählt über den Gründer des Ashrams. Er spricht mit uns über die Non-Dualität und Samadhi. Im Nachhinein ist das der Swami, der mich am meisten beeindruckt hat.
Am nächsten Morgen lasse ich Yoga ausfallen. Die Dusche ist kaputt und ich kümmere mich um einen Plumber. Das ganze gestaltet sich recht lustig, da wir uns nicht verständigen können und er erst einfach wortlos verschwindet. Nach einer Weile kommt er wieder und stellt sich in voller Montur in die Dusche ungeachtet dessen, dass das Wasser aus der Wand spritzt. Der Tag ist verregnet. Das Highlight ist der Beatles Ashram. Überraschenderweise werden neuerdings 8,– € Eintritt verlangt. Narada erklärt sich bereit für die zu zahlen, die dennoch hineinwollen. Zuerst wollte ich verzichten. Im Nachhinein – was hätte ich verpasst. Die Atmosphäre, die Energie, das Verfallene, die Graffitis, die Natur, die sich alles zurück erobert!
17. Januar 2020, Vrindavan
Um 5.00 fahren wir mit dem Bus zum Bahnhof nach Haridwar. Etwas Verwirrung, weil Narada die falschen Sitzplätze gezogen hat. Zuerst haben Elke und ich viel Platz. Dann steigt eine indische Familie zu: Vater, Mutter, Tochter, Oma. Alle vier sind schön gewandet. Elke verzieht sich nach oben auf die Liege zum Schlafen. Die Familie breitet sich aus, ich mich dann auch irgendwann. In Delhi bekommen wir Thali, eine gemischte Platte. In Matura steigen wir noch mal in einen Bus um. Gegen 16.00 erreichen wir den Ashram. Ein netter Italiener begrüßt uns und legt uns gelbe Bänder um den Hals. Unser Zimmer ist noch schlimmer als in Rishikesh. Es gibt kein Putzzeug. Ich leihe mir einen Lappen, um unsere Fußstapfen aufzuwischen. Der Lappen ist sofort schwarz. An diesem Punkt will ich die Reise abbrechen, sofort in ein Hotel und nach Goa weiterreisen. Elke sagt, sie will lernen diesen Zustand mit sich selber auszuhalten. Ok, das ist ein guter Gedanke. So bleibe ich.
In einem Kellergelaß ist Kirtan beim Sadhu, ein ehemaliger Maharadja. Ein scheinbar lieber alter Mann, dessen Weisheiten mich nicht weiter bringen. Das Gesinge ist ziemlich laut, durcheinander und falsch teilweise. Ich bin leicht angenervt. Gleichzeitig fasziniert von den Anhängerinnen aus ganz Europa, die dem Sadhu worshippen und ihm Tee reichen.
18. und 19. Januar 2020, immer noch Vrindavan
Die Nacht ist ok. Trotz Gestank aus dem Bad. Später erfahren wir, dass das vom schwefelhaltigen Wasser kommt. Für Yoga bin ich recht spät dran und muss mir den Weg zum Raum zeigen lassen. Vor mir geht ein alter Mann, der die Mütze fest über die Ohren gezogen hat und ein Luftgewehr trägt. Das ist wegen der vielen Affen. Auch ist alles vergittert wegen ihnen. Zoo mal andersherum. Im Raum ist es kalt und ungemütlich. Zum Ende hin wird es ganz still in mir und ich erfahre einen Zipfel Sat Chit Ananda.
Das Frühstück, wie auch die anderen Mahlzeiten hier, ist sehr lecker. Dann geht es barfuß auf Tempeltour. Eine Herausforderung für den Stützstrumpf. Im ersten Tempel ist es sehr voll und laut. Er wirkt auch etwas unheimlich auf mich. Ich kann heimlich zwei Fotos machen. Elke wird erwischt und muss ihre löschen. Der nächste Tempel ist ein runder Wandelweg mit Affenschutzkäfigen oder Menschenkäfigen, wenn man so will. Ich hänge mal wieder hintendran und denke noch, dass ich hier vor den Affen gefeit bin und lasse die Brille auf. Die krallen sich die Affen hier nämlich gerne, auch Handys und Lebensmittel. In diesem Moment steht plötzlich auf allen vieren ein Affe ein paar Meter hinter mir, groß wie ein Schäferhund. Schnell weg hier! Ich rutsche auf Affenscheiße aus. Der Affe ist erstaunlicherweise weg. Mein Ellenbogen schmerzt. Auch dies eine der lustigen Geschichten im Nachhinein. Vor einem der besichtigten Tempel ist eine Hochzeit. Der Bräutigam reitet auf einem Pferd ein, beide prächtig ausstaffiert. Wilde Trommelei. Unsere Reisegruppe tanzt mit. Die Affen dürften ausnahmsweise vertrieben sein.
Morgens ab 4.00 ertönt Krishna Gesang über Mikrofon. Der Yogaraum ist eiskalt. Affen laufen über das Dach. Der ganze Ashram ist ein Menschenkäfig. Ich muss es wiederholen. Tagsüber wird es wärmer. Wir fahren mit dem Bus in den Geburtsort Krishnas, very very holy. Im ersten Tempel habe ich zunächst keine Lust, meine Schuhe auszuziehen. Eine in Kenia lebende Inderin spricht mich an. Ich erzähle von der Reise und sie sagt you are so blessed. Eine Mitreisende holt mich, weil alle an dem kleinen nach Schwefel riechenden See sitzen. Es ist wirklich sehr schön hier. Das Teetrinken mit Samosas und Pekoras artet in ein Mittagessen aus. Zum Nachtisch gibt es Zuckerrohrstangen von der Straße. Am Palast machen wir eine Fotosession. Und besichtigen Krishnas Berg, der gar kein Berg ist.
Abends besuchen einige von uns das Viertel in dem Musikinstrumente hergestellt werden. Narada wünscht sich ein Reiseharmonium. Wir Brillenträgerinnen vermummen uns. In diesem Viertel ist eine tolle Atmosphäre. Aus dem Nichts taucht wie aus 1001 Nacht ein wunderschöner rot beleuchteter Tempel oder Palast vor uns auf. Davor ist ein farbenfroher Markt aufgebaut.
Vrindavan – Die verwunschene Stadt unter der Herrschaft der Affen.
20. Januar 2020, Reise nach Bodhgaya
Leaving Vrindavan. Mit dem Bus in der Früh zu einem Ort von dem ein Direktzug nach Bodhgaya fährt. Es bleibt noch Zeit, um Papiertaschentücher zu besorgen. Zu zweit stiefeln wir los. Tiefstes Indien. Irgendwie wirkt alles düster auf mich. Ein Verkaufsschuppen reiht sich an den nächsten. Es wird alles und nichts verkauft aber keine Taschentücher. Dafür erstehe ich Käsecracker und Erdnüsse. Ich habe eine kleine Krise wegen der Taschentücher. Manchmal ist es schwierig, yogisch zu sein. Eine Indienreise ist fordend. Weil es so kalt ist, tanzen einige von uns auf dem Bahnsteig zur Belustigung eines kleines Mädchens auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig. Der Zug ist pünktlich. Das Land wird grüner. Unterhalten, Schlafen, Lesen. Trotz ungefähr siebenstündiger Verspätung sind wir alle recht entspannt. Mit dem Bus erreichen wir am frühen Morgen das Hotel. Endlich ein sauberes Zimmer und so nette Jungs, die dort arbeiten. Erstmal ausschlafen.
21.bis 23. Januar, Bodhgaya – Höhepunkt der Indienreise
Nach einem köstlichen Frühstück und einer Yogastunde auf dem Hoteldach (ich beschließe, nur noch Yogareisen zu machen), geht es zum Baum des Buddha. Ausgerechnet Narada hat Magen-Darm. Deswegen laufen wir nicht, sondern fahren mit mehreren Rikshas. Handys dürfen wegen eines Anschlags vor einigen Jahren nicht mit in die Anlage. Wir laufen auf dem ziemlich großen Gelände herum. Wegen meines Fußes kann ich nicht so lange im Meditationssitz verbleiben. Ich stelle eine bestimmte Frage und erhalte am Abend eine Antwort. Am Tag darauf fahren wir wieder zum Tempel. Ein Guide zeigt uns die sieben Plätze. Es ist eine Schleife von gebaut, abgerissen, neu aufgebaut. Ich meditiere unter dem Baum auf einem Mäuerchen, es ist kühl und schattig. Ich fühle die Energie beginnend zwischen den Händen in den Körper sich ausbreitend. Es ist keine Hitzewallung, die fühlen sich definitiv anders an.
Danach verfallen einige Damen unserer Gruppe in einen kleinen Kaufrausch. Zu mir finden eine Mala aus grünen Türkisen, ein Ring mit Labradorit und ein silbernes OM-Armband. Letzteres hab ich leider inzwischen verloren. Und ein Ähnliches ist mir auch noch nicht begegnet. Also muss ich unbedingt noch mal nach Indien!
24. bis 27. Januar 2020, Varanasi
Entspannt starten wir gegen 12.00 mit einem Bus für 30 Leute Richtung Varanasi. Ein kleinerer Bus hätte genauso viel gekostet. Wir starten eine Stunde früher, da am Vortag eine Brücke eingestürzt ist und ein Umweg gefahren werden muss. Recht bald geraten wir in einen Stau auf einer Brücke. Es sind mehrere Brücken nebeneinander gebaut, was recht beeindruckend aussieht, sich aber leider fotografisch nicht einfangen lässt. Zumindest nicht mit einer Handykamera. Der Grund für den Stau ist eine Demonstration von Frauen. Es geht um ihr Recht auf Bildung. Ein sehr guter Grund für einen Stau! Statt sieben Stunden brauchen wir zwölf.
In der Nacht fahren wir eine kilometerlange sehr schmale Straße mit einem Shop am anderen entlang. So surreal, so traumhaft. Irgendwann schafft der Bus es nicht mehr durch die engen Gassen. Das Gepäck wird auf Rikshas umgeladen und wir gehen zu Fuß. Eine Kuh, weiß schwarz gefleckt, die Augen wie mit Kajal umrandet – entsprungen aus einem Max Ernst Gemälde. Verwinkelte Gassen ohne Beleuchtung. Aus dem Nichts steht vor uns eine Frau, die Unverständliches mitzuteilen hat.
Der Ashram, mehr ein Guesthouse, ist sauber mit etwas schriller Einrichtung. Der Blick von der Terasse auf den Ganges ist gigantisch. Der Vater des Besitzers unterrichtet Yoga. Ich passe, da es mir zu früh ist. Einen Tag später verlangt er 500 Rs für seine Stunde und selbst Gauri hat Rückenschmerzen. Aber die Flussfahrt morgens um 6.00 lass ich mir nicht entgehen. Wunderschön, den Sonnenaufgang auf dem Ganges zu erleben. Am Tag erkunden wir Varanasi. Ich hatte gelesen, dass es überfüllt ist. Da keine Hauptsaison ist, haben wir in den engen Gassen genug Platz. Beim schnellzeichnenden Ganesha-Maler ersteh ich ein Bild von Ganesha und 2 kleine Reise-Murtis. Am Nachmittag lassen wir die Verbrennungen der Leichen auf uns wirken. Ich empfinde es als natürlich und archaisch.
Am Abend erleben wir das Arati vom Boot aus. Wir sind eingekeilt zwischen hunderten anderen Booten. Chai- und Blumenverkäufer springen von Boot zu Boot. Es ist natürlich wieder sehr beeindruckend, dennoch kommt nicht die Ergriffenheit wie in Haridwar in mir hoch.
Die Reise neigt sich dem Ende zu. Mit einem modernen klimatisierten Zug geht es zurück Richtung Delhi, der 100 km/h schafft. Die ganze Zeit werden wir mit Essen versorgt. Die alten Züge finde ich bequemer. Wir übernachten in Delhi in einem etwas schmuddeligen „Premium“-Hotel. Vor dem Schlafengehen verabschieden wir uns alle voneinander. Um 6.00 bringt ein Angestellter Tee. Ich bin etwas beschämt wegen meines kurzen Nachthemds. Er sagt immer wieder „tre tre tre“. Hätte er gern 30 Rs.? Schließlich kommt er ins Zimmer und zeigt auf das Tablett. Mit dem Taxi fahren Elke und ich zum Flughafen. Dort essen wir den von Narada empfohlenen Mac Maharaja Veggie Burger beim Schotten. Schmeckt wirklich gut. Wir fliegen nach Goa. Aber das ist eine andere Geschichte.
Epilog – was bleibt…
Eine wirklich tolle Zeit mit tollen Frauen und einem tollen Reiseführer. Narada hat uns immer wieder die geistige Welt des Yoga und der indischen Götter nahegebracht und geduldig erklärt. Ein ganz großes Dankeschön an Narada! Ich bin froh und dankbar, diese außergewöhnliche Reise erleben zu dürfen.
Während der ganzen Indienreise habe ich kein Fleisch gegessen. Meinen Kaffee trinke ich inzwischen schwarz. Ich bin nun zu 90% Vegetarier. Ab und zu kommt die Lust auf ein gutes Stück Fleisch oder Fisch durch. Käse und Eier esse ich (noch) zu gerne. Alkohol gibt mir gar nichts mehr außer Kopfschmerzen.
Einige in meinem spirituellen Umfeld haben 2019 gesagt, dass 2020 besonders wird und etwas ganz Großes erwartet. Wie besonders und anders hat wohl keiner von uns geahnt. Kurz nach unserer Rückkehr gab es fast nichts anderes als Corona. Wie schnell sich das Leben ändern kann. Für mich kam noch eine andere Art von Rauswurf aus meinem eigenen kleinen Universum hinzu. Zur Zeit des 1. Lockdowns wurde Krebs bei mir diagnostiziert. Es ging dann alles ganz schnell mit großer Bauch-OP. Aber auch das ist eine andere Geschichte. Nur soviel, weil sich hier für mich der Kreis schließt. Zur Zeit gelte ich als geheilt, ich brauchte auch keine Chemo. Aber ohne die Yoga-Ausbildung und diese spirituelle Indienreise hätte ich alles, was nach der Diagnose kam, nicht so gut verarbeiten können. Da bin ich mir ganz sicher.
In Vorfreude auf die nächste Indienreise, Annette Winkelmann: Instagram@annwin3