Als ich 2017 das erste Mal nach Trichy kam und den Srirangam Tempel sah, ist mir die Kinnlade heruntergeklappt. Die Größe und Ausarbeitung des „Sri Ranganathaswamy“ in Tiruchirappally war für mich überwältigend. Die Dimension lässt sich am besten anhand der Tempelmauern erfassen: sieben große Mauern umfassen das innerste der Anlage, in den äußeren Ringen wohnen die Priesterfamilien.
Bald bieten wir wieder eine Reise nach Südindien (Kerala & Tamil Nadu) an, magst Du mitkommen?
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Srirangam in Trichy
Auf einer Insel im heiligen Fluss Kaveri liegt Srirangam, das größte aktive Tempelareal der Welt und eines der bedeutendsten Heiligtümer des Vishnuitentums (Sri Vaishnava). Der gewaltige Tempel, umgeben von sieben konzentrischen Mauerringen und 21 prachtvollen Gopurams (Tempeltürme), wirkt wie eine eigene Stadt im Herzen von Tamil Nadu.
Sri Ranganathaswamy ist kein bloßes Bauwerk, sondern wird als ein kosmisches Zentrum betrachtet, ein Ort, an dem sich Religion, Geschichte, Mythologie, Architektur und Kultur auf einzigartige Weise verbinden. Die Tempelanlage ist seit Jahrhunderten ein Herzstück hinduistischer Tradition.
Zahlen, Daten, Fakten
- Lage: Auf einer Insel im Fluss Kaveri bei Tiruchirappalli, im Norden von Tamil Nadu in Südindien.
Größe: ca. 631 Hektar (1550 Acres) – damit das größte aktiv genutzte Tempelareal der Welt. Nur Ankor Wat ist größer, aber nicht aktiv.
Mauerringe: 7 konzentrische Prakarams (Umfassungen), die an das kosmische Weltbild erinnern, also die Lokas.
Türme (Gopurams): insgesamt 21, der höchste ist der Rajagopuram mit 72 Metern Höhe (einer der größten Tempeltürme Asiens).
Hauptheiligtum: Gott Vishnu in Gestalt des Ranganatha (liegender Vishnu) und seine Gemahlin Ranganayaki.
Besucherzahlen: An großen Festtagen wie dem Vaikunta Ekadasi pilgern über 1 Million Menschen gleichzeitig nach Srirangam.
Alter: Ursprünge mindestens um Christi Geburt, Erwähnung bereits in der frühen tamilischen Sangam-Literatur und im Ramayana Epos.
UNESCO-Status: Seit 2017 Teil der UNESCO-Welterbeliste („Great Living Chola Temples“ Erweiterung).
Philosophie: Zentrum der Sri Vaishnava Tradition, eng verbunden mit Philosophen wie Ramanuja, dem Begründer der Vishishtadvaita Lehre.
- Bhakti: Die Tempelanlage gilt als einer der Ursprungsorte der frühen Bhakti-Bewegung.
Geschichte des Vishnu-Heiligtums auf der Insel im Kaveri
Die Geschichte des Sri Ranganathaswamy Tempels ist so weitläufig und vielschichtig wie die Tempelanlage selbst. Sie wurzelt in der indischen Mythologie, wurde über Jahrhunderte von mächtigen Königsdynastien Südindiens geformt und gefestigt und gipfelt in seiner heutigen Stellung als unangefochtenes Zentrum des Sri Vaishnavismus in Südindien.
Der mythologische Ursprung: Ein göttliches Geschenk
Die Legende beginnt im Ramayana-Epos, einem der heiligsten Texte des Hinduismus. Nachdem die Vishnu-Inkarnation Rama den Dämonenkönig Ravana besiegt hatte, bereitete er sich auf seine Rückkehr nach Ayodhya vor. Vibhishana, Ravanas tugendhafter Bruder, der Rama im Kampf unterstützt hatte, bat um ein besonderes Geschenk, das er in seinem Königreich Lanka verehren konnte. Rama überreichte ihm daraufhin die besondere riesige Murti von Ranganatha – eine liegende Form Vishnus –, das zuvor von niemand geringerem als Brahma selbst verehrt worden war.
Die Götter warnten Vibhishana jedoch: Wo immer er das Götzenbild auf seiner Reise absetze, dort würde es für immer verweilen. Auf seinem Weg nach Süden machte Vibhishana an den Ufern des heiligen Flusses Kaveri Rast. Als er seine Reise fortsetzen wollte, musste er feststellen, dass er das Götzenbild nicht mehr bewegen konnte. Lord Vishnu, verzaubert von der Schönheit des Ortes, hatte beschlossen, hier für immer zu bleiben. Untröstlich, aber dem göttlichen Willen ergeben, ließ Vibhishana einen kleinen Schrein errichten, um den sich über die Jahrtausende der heutige Tempel entwickelte.
Die frühe Geschichte: Verschiedene Herrscher-Dynastien
Während die Mythologie den göttlichen Ursprung erklärt, zeugen die steinernen Mauern von seiner irdischen Geschichte. Literarische Quellen aus der tamilischen Sangam-Zeit (ca. 3. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) erwähnen bereits einen frühen Tempel an diesem Ort. Seine wahre architektonische Blüte erlebte er jedoch unter den großen südindischen Dynastien.
Die Chola-Könige, insbesondere ab dem 10. Jahrhundert, erweiterten den Tempel maßgeblich und legten den Grundstein für seine heutige Struktur. Spätere Königreiche wie die Pandyas, die Hoysalas und vor allem die Vijayanagara-Könige im 14. und 15. Jahrhundert fügten prächtige Mandapams (Säulenhallen) wie die berühmte „Halle der Pferde“ und massive Gopurams (Tortürme) hinzu.
Die Tempelanlage war jedoch nicht nur ein spirituelles Zentrum, sondern auch ein strategisch wichtiger Ort, der im 14. Jahrhundert von den Truppen des Sultanats von Delhi geplündert wurde – ein traumatisches Ereignis in seiner Geschichte, nach dem er unter den Vijayanagara Herrschern wieder zu altem Glanz aufgebaut wurde.
Die Bedeutung im Hinduismus: Das erste Haus Gottes auf Erden
Für Anhänger des Vaishnavismus, der Strömung im Hinduismus, die Vishnu als höchstes Wesen verehrt, ist es gar der wichtigste Ort auf Erden! Er gilt als das erste, heiligste und bedeutendste der 108 Divya Desams – jener Tempel, die in den heiligen Schriften der Alvars (tamilische Dichter-Heilige) besungen wurden.
Er ist das spirituelle Epizentrum, von dem aus große Philosophen und Theologen wie Ramanuja im 11. Jahrhundert ihre Lehren verbreiteten und die Philosophie des Sri Vaishnavismus formten. Bis heute ist die Anlage ein pulsierendes Zentrum des Glaubens, ein Ort, an dem Millionen von Pilgern Zuflucht, Segen und die spirituelle Gegenwart von Lord Vishnu in seiner legendären liegenden Form suchen.
Weitere bedeutsame Tempel in Tamil Nadu
In Tamil Nadu gibt es noch viele (sehr viele!) weitere bedeutsame alte Tempelanlagen. Bei meinen Reisen habe ich mehrere davon anschauen dürfen, was für ein Segen! 🙂 Hier einige Temlen, die mich besonders beeindruckt haben. Meld Dich gerne, wenn Du mal mitkommen magst! narada@purnam.de
Meenakshi-Tempel, Madurai
Der Meenakshi-Amman-Tempel in Madurai ist einer der bekanntesten und farbenprächtigsten Tempel Südindiens. Seine kunstvoll verzierten Gopurams (Tortürme) sind mit Tausenden von Figuren geschmückt und bieten ein wahres Fest für die Augen. Der Tempel gilt als Herzstück der Stadt Madurai und ist ein lebendiges Zentrum hinduistischer Rituale und Feste.
Kanyakumari-Tempel, Südspitze Indiens
Am südlichsten Punkt des indischen Subkontinents, wo Arabisches Meer, Indischer Ozean und Golf von Bengalen zusammentreffen, liegt der Kanyakumari-Tempel. Er ist der Göttin Devi Kanya Kumari geweiht und ein kraftvoller Ort, der weibliche Energie und spirituelle Reinheit symbolisiert. Die Tempelstadt selbst ist zugleich Pilgerort und magischer Platz, um Sonnenauf- und -untergänge über dem Meer zu erleben.
Arunachaleshwara-Tempel, Thiruvannamalai
Am Fuße des heiligen Berges Arunachala befindet sich der mächtige Arunachaleshwara-Tempel, einer der wichtigsten Shiva-Tempel Indiens. Er gilt als Verkörperung des Feuerelements in der Reihe der fünf Pancha Bhoota Sthalas. Pilger aus aller Welt kommen hierher, um Shiva in seiner Form als Arunachaleshwara zu verehren – besonders zur Vollmondnacht, wenn Hunderttausende den Berg bei einer Girivalam-Umrundung umschreiten.
Brihadisvara-Tempel, Thanjavur
Der „Große Tempel“ in Thanjavur wurde im 11. Jahrhundert von der Chola-Dynastie errichtet und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sein über 60 Meter hoher Vimana (Tempelturm) ist ein Meisterwerk der Architektur und trotz seiner Größe völlig ohne Mörtel errichtet. Der Brihadisvara-Tempel gilt als einer der monumentalsten Zeugnisse der südindischen Tempelbaukunst.
Nellaiappar-Tempel, Tirunelveli
Der Nellaiappar-Tempel ist Shiva geweiht und gehört zu den größten Tempelanlagen Tamil Nadus. Er beeindruckt mit seinem weitläufigen Gelände, reich verzierten Hallen und jahrhundertealten Traditionen. Der Tempel symbolisiert nicht nur spirituelle Hingabe, sondern ist auch ein kulturelles Zentrum der Region, in dem klassische Musik- und Tanzveranstaltungen stattfinden.