Mahayana-Buddhismus ist quasi der progressive Flügel der Weltreligion, während Theravada den konservativen bildet. Beides hat seinen Wert und birgt Methoden und Erkenntnisse, die uns auf dem Weg stützen können. Im Rahmen meiner Artikel-Serie über den Buddhismus gebe ich hier eine kleine Einführung in die größte Strömung innerhalb der Buddha-Sangha. Einige unserer Reisen haben Buddhismus als Thema, so pilgern wir zu den Lebensstationen des Buddha und Reisen nach klein Tibet und Sri Lanka.

Die Bilder hier sind alle von unseren Reisen, melde Dich gerne bei mir mit Deinen Fragen dazu! narada@purnam.de

Kathmandu, Mahayana Buddhismus
Buddhistische Mönche aus verschiedenen Traditionen in Kathmandu

Einführung in Mahayana Buddhismus

Der Mahayana-Buddhismus oder „Weg des großen Fahrzeugs“(Sanskrit महायान mahāyāna, von mahā ‚groß‘ und yāna ‚Fahrzeug‘), ist eine der bedeutendsten und vielfältigsten Schulen des Buddhismus. Mit einem tief verwurzelten Schwerpunkt auf Mitgefühl und Weisheit hat er im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Kulturen und Traditionen geprägt.

Doch wie entstand dieser Zweig der Weltreligion, und welche Traditionen gehören zu ihm? Was unterscheidet ihn vom Hinayana-Buddhismus? In diesem Beitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf die Geschichte und die unterschiedlichen Strömungen dieses spirituellen Weges.

DSC0445 Mahayana
viele kleine Stupas und Buddhafiguren rund um den Bodhibaum

Die Entstehung des Mahayana-Buddhismus

Die Wurzeln des „großen Fahrzeugs“ lassen sich bis zu den ersten buddhistischen Konzilen nach dem Tod des historischen Buddha, zurückverfolgen. Insbesondere das Zweite Konzil, das etwa ein Jahrhundert nach dem Parinirvana des Buddha stattfand, markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der buddhistischen Gemeinschaft. Bei diesem Treffen entstanden Konflikte über die Interpretation und Praxis der Lehren des Buddha, vorwiegend zwischen einer konservativen Gruppe, die sich strikt an die ursprünglichen Ordensregeln hielt, und reformorientierten Mönchen, die größere Flexibilität in der Praxis forderten.

Ashoka Säule, Vaishali, Mahayana
Vaishali, Bihar, Indien - Ort des 2. Buddhistischen Konzils (Im Bild eine Ashoka-Säule)

Diese Meinungsverschiedenheiten führten letztlich zur Spaltung in verschiedene buddhistische Schulen, darunter die Sthavira-Tradition (Vorläufer des Theravada) und die Mahasanghika, die als Vorläufer des Mahayana gilt. Die Mahasanghika betonte bereits eine offenere, inklusivere Haltung und entwickelte eine Vision des Buddha als transzendente Figur, die über die menschliche Dimension hinausgeht – ein Konzept, das später im „Weg des großen Fahrzeugs“ zentral wurde.

Die Auseinandersetzungen bei den frühen Konzilen legten somit den Grundstein für die Entstehung der Bewegung, die sich auf die universelle Erleuchtung und das Bodhisattva-Ideal konzentrierte. Es war eine Reaktion auf das Bedürfnis nach einem umfassenderen, universellen Ansatz, der sowohl Laien als auch Mönchen den Weg zur Befreiung eröffnete.

Der Weg entwickelte sich dann etwa im 1. Jahrhundert n. Chr. konkreter. Diese Bewegung entstand vor allem als Reaktion auf die vorherrschende Theravada (Weg der Alten)-Tradition (auch Hinayana – „kleines Fahrzeug“ genannt). Während der Theravada-Buddhismus die individuelle Erleuchtung betonte, rückte der Mahayana die universelle Befreiung aller fühlenden Wesen in den Vordergrund.

Ein zentraler Punkt in der Entstehung war die Betonung des Bodhisattva-Ideals. Bodhisattvas sind spirituelle Wesen, die das Gelübde abgelegt haben, Erleuchtung nicht nur für sich selbst, sondern für alle Wesen zu erreichen. Dieses Ideal wurde zur Grundlage der neuen Lehren und inspirierte Praktiken, die sich in verschiedenen Sutras widerspiegeln, wie etwa dem Lotus-Sutra oder dem Herz-Sutra.

Rajgiri, Geierberg
Ghridrakuta, Geierberg - Hier wurde das Herzsutra offenbart

Die Philosophie hinter dem Mahayana-Buddhismus

Ein wichtiges philosophisches Konzept ist die Leere (Shunyata), wie sie von Nagarjuna, einem der einflussreichsten Philosophen dieses Weges, beschrieben wurde. Nach dieser Lehre existieren alle Dinge nicht unabhängig voneinander, sondern entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit. Diese Einsicht soll dazu beitragen, Egoismus und Anhaftung zu überwinden und so den Weg zur Erleuchtung zu ebnen.

Ein weiteres Schlüsselkonzept ist die Buddha-Natur. Diese Idee besagt, dass jedes fühlende Wesen das Potenzial zur Erleuchtung in sich trägt. Dieses Konzept ist besonders in späteren Weiterentwicklungen wie dem Zen und der tibetischen Vajrayana-Schule von Bedeutung.

Nalanda, Nagarjuna, Mahayana, Buddhismus
Antike Nalanda Universität in Bihar

Die geografische Ausbreitung des Mahayana-Buddhismus

Im Laufe der Zeit verbreitete sich die Auslegung des Buddhismus weit über Indien hinaus nach Zentral-, Ost- und Südostasien. Diese geografische Expansion führte zur Entstehung zahlreicher kulturell geprägter Traditionen:

  • China: Der Buddhismus erreichte China bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. und verschmolz dort mit einheimischen Philosophien wie dem Daoismus. Daraus entwickelte sich der Chan-Buddhismus, der später die Grundlage für den Zen-Buddhismus in Japan wurde.
  • Japan: Der Zen-Buddhismus, bekannt für seine schlichte und direkte Meditationspraxis, gewann im japanischen Kulturkreis große Bedeutung. Traditionen wie die Jodo-Shinshu-Schule legten hingegen Wert auf Hingabe und Rezitation.
  • Korea: In Korea entstanden Synthesen verschiedener Mahayana-Strömungen, wobei ein besonderer Fokus auf der Meditation und der Verehrung des Bodhisattva Avalokiteshvara lag.
  • Tibet: Obwohl Tibet für den Vajrayana-Buddhismus bekannt ist, hat er starke Wurzeln im „Großen Fahrzeug“.
Vajrayana
Vajrayana-Buddhismus Tempel im Buthan-Stil

Zentrale Traditionen des Mahayana-Buddhismus

Der Mahayana-Buddhismus ist keine monolithische Schule, sondern umfasst eine Vielzahl von Traditionen. Jede bringt ihre eigenen Interpretationen und Praktiken ein, die jedoch auf denselben grundlegenden Prinzipien beruhen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Traditionen:

  • Der Chan-Buddhismus (China) und sein japanisches Pendant, der Zen-Buddhismus, legen besonderen Wert auf Meditation und die direkte Erfahrung der Wirklichkeit. Hier geht es weniger um die Analyse von Texten, sondern um die intuitive Erkenntnis der Buddha-Natur.
  • Die Reines-Land-Buddhismus Tradition konzentriert sich auf die Hingabe an Amida Buddha und die Rezitation seines Namens, um im Reinen Land wiedergeboren zu werden – einem paradiesischen Zustand, der die Erleuchtung erleichtert. Diese Schule ist besonders in China, Japan und Vietnam verbreitet.
  • Die Tendai-Schule, die ihre Wurzeln im Lotus-Sutra hat, und die esoterische Shingon-Schule haben in Japan eine wichtige Rolle gespielt. Beide legen großen Wert auf Rituale und philosophische Systematisierung.
  • Obwohl der tibetische Buddhismus (auch Vajrayana) oft als eigenständige Tradition gilt, ist er stark von den Lehren beeinflusst. Der tibetische Buddhismus kombiniert das Bodhisattva-Ideal mit tantrischen Praktiken und tiefgründigen Meditationstechniken.
Theravada Buddhismus in Sri Lanka
Theravada Buddhismus in Sri Lanka

Unterschiede von Mahayana zu Theravada

Schon sehr früh hat sich die Buddhistische Gemeinschaft in zwei Teile gespalten, Theravada findet man heute vor allem in Sri Lanka, Burma, Vietnam und Thailand. Die beiden unterscheiden sich in ihrer Ausrichtung, ihren Idealen und ihrer Interpretation der Lehren des Buddha. Der Theravada-Buddhismus legt den Schwerpunkt auf die persönliche Befreiung und die Praxis des Arhat-Ideals. Ein Arhat ist ein Individuum, das durch eigene Anstrengung Erleuchtung erreicht und das Leiden des Samsara hinter sich lässt.

Im Gegensatz dazu fokussiert der Mahayana-Buddhismus auf die universelle Befreiung aller fühlenden Wesen, verkörpert durch das Bodhisattva-Ideal. Bodhisattvas verzichten auf die endgültige Erleuchtung, um anderen zu helfen, diesen Zustand ebenfalls zu erreichen. Philosophisch unterscheidet sich das große Fahrzeug zudem durch die Betonung der Leere (Shunyata) und die Vorstellung der Buddha-Natur, während Theravada stärker an den ursprünglichen Lehrtexten des Pali-Kanon festhält.

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Deliwala Kota Vihara - 2300 Jahre alte Stupa aus der Anfangszeit des Buddhismus in Sri Lanka

Das Erbe des Mahayana-Buddhismus

 Heute wird der Mahayana-Buddhismus von Millionen von Menschen weltweit praktiziert und inspiriert nicht nur durch seine Lehren, sondern auch durch seine Kunst, Literatur und Architektur. Pagoden, Statuen von Bodhisattvas wie Avalokiteshvara (Guan Yin) und die Sutras sind bleibende Zeugnisse seiner kulturellen Bedeutung.

Es ist mehr als eine spirituelle Bewegung – er ist ein Weg der universellen Weisheit und des Mitgefühls, der Kulturen und Menschen auf der ganzen Welt verbindet. Von seiner tiefgründigen Philosophie bis zu seinen vielfältigen Traditionen bietet er eine Schatzkammer an Weisheiten, die auch in der modernen Welt von Bedeutung sind.

Vajrayana Kloster
Uraltes Vajrayana Kloster in Phuktar, Zanskar, Ladakh, Indien
Categories: Allgemeines

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