Der heilige Berg Arunachala war bei meinen Südindien Reisen immer ein besonderes Highlight. Nicht nur, weil ich mich mit Ramana Maharshi verbunden fühle, sondern weil der Berg als Manifestation von Shiva wirklich eine besondere Kraft und Ruhe ausstrahlt. Bei meinem ersten Besuch des Berges, beim ersten Anblick, kamen mir die Tränen.
Ich biete immer wieder die Südindien Tempel-Rundreise an, bei der auch der heilige Berg aufgesucht wird.
Melde Dich gerne, wenn Du dabei sein magst! narada@purnam.de
„Es ist ein verborgener heiliger Ort. Er ist immer vergleichsweise wenig bekannt geblieben. Der Berg verleiht Selbsterkenntnis, Jnana, aber die meisten Menschen haben andere, stärkere Begierden und suchen nicht wirklich dieses tiefe Wissen. Oh Arunachala, Du entwurzelst das Ego derjenigen, die an Dich in ihrem Herzen denken.“ Ramana Maharshi
Zunächst ein paar Fakten zum Arunachala
Annamalai, Arunagiri, Arunachalam, Arunai, Sonagiri und Sonachalam sind weitere Namen des Berges, in IAST: Aruṇācalam. Das bedeutet jeweils etwa rotes Licht oder Feuer der Morgenröte. Er liegt n der Stadt Tiruvannamalai im Norden des großen indischen Bundesstaates Tamil Nadu. Er ist etwa 820 m hoch, hat einen Umfang von etwa 14 km und sein Alter wird auf 300-350 Millionen Jahre geschätzt. Damit gehört er zu den ältesten Bergen der Erde, im Gegensatz zum Himalaya, der etwa 20 Millionen Jahre alt ist.
Die uralte Gesteinsformation gilt als direkte Manifestation von Shiva, der sich hier Brahma und Vishnu als Feuersäule zeigte. Er ist der wichtigste Pilgerort für Shiva in Südindien und ist für manche sogar heiliger als der Kailash, da Shiva dort nur verweilt. Der Pilgerort Tiruvannamalai, kurz Tiru, zieht seit Urzeiten Sadhus, Yogis, Weise und Laien an. Der etwa 10 Hektar große Tempel von Tiruvannamalai, der Arunachaleshwar, mit Ursprung weit früher als 7. Jhd., ist Shiva als Feuerelement gewidmet.
Es kommen etwa 8 Millionen Pilger jährlich in die 150.000 Einwohner Stadt, um die Manifestation Shivas zu sehen oder sie zu umrunden. Bei jedem Vollmond kommen Hunderttausende, um die 14 km rund um den Berg zu laufen, ein Mal im Jahr sogar bis zu einer halben Million.
Shiva sagt: „Was ohne große Mühen nicht zu erlangen ist, die wahre Bedeutung des Vedanta kann jeder erreichen, der diesen Hügel von einem Ort aus betrachtet, von dem aus er sichtbar ist, oder auch nur aus der Ferne daran denkt.“ Arunachala Mahatmyam, Skanda Purana
Die Legende von Shiva als Feuersäule - Jyotirlingam
In den unendlichen Weiten der Zeit, als das Universum noch jung war, entbrannte ein Streit zwischen Brahma, dem Schöpfer, und Vishnu, dem Erhaltenden. Insbesondere Brahma, mächtig in seinem Wirken und stolz auf seine Rolle im göttlichen Spiel, erhob Anspruch darauf, der Höchste zu sein. Vishnu wusste, dass Brahma seine Aufgabe ja bereits erledigt hatte, und schaute recht gleichmütig darauf. Aber ihr Disput drohte, das Gleichgewicht der Kräfte zu erschüttern.
So manifestierte sich Shiva zwischen den streitenden Göttern, er erschien als Mächtige Lichtsäule von unvorstellbarer Dimension, ohne Anfang oder Ende. Ein Jyotirlingam, der tief in die Unterwelten hinabreichte und hoch über die höchsten Himmel hinausragte. Verwirrt und ehrfürchtig unterbrachen Brahma und Vishnu ihren Streit und trafen eine Vereinbarung: Wer als Erster das Ende dieser Säule fände, sollte als der Überlegene gelten!
Vishnu grub sich mit unermüdlicher Kraft tief in die Erde, durchdrang Schichten von Existenz, die kein Wesen je zuvor gesehen hatte. Doch so tief er auch vordrang, das Fundament der Säule blieb unerreichbar. Brahma hingegen verwandelte sich in einen Schwan und flog mit rasender Geschwindigkeit nach oben, vorbei an Galaxien und durch die Schleier der Zeit. Doch auch er fand kein Ende.
Nach Äonen der vergeblichen Suche kehrte Vishnu demütig zurück und verneigte sich vor der unermesslichen Säule. Er gestand seine Niederlage ein und erkannte die Präsenz einer Macht an, die weit über sein eigenes Verstehen hinausging. Brahma jedoch, dessen Ego durch die lange Suche nicht gebrochen war, entschied sich zu lügen und vom Ende der Feuersäule zu berichten.
Als Brahma mit seiner Lüge vor der Säule prahlte, erzitterte das Universum. Die Feuersäule brach auf, und Shiva kam in seiner furchterregenden Form Bhairava hervor. Er verfluchte Brahma dafür, dass er aufgrund seines Egos die Wahrheit verleugnet hatte – und schlug ihm einen seiner damals noch 5 Köpfe ab. Vishnu hingegen wurde für seine Ehrlichkeit und Demut gesegnet.
Die Story geht noch länger. Bhairava irrte umher mit der Schuld einen Brahmanen getötet zu haben, ein Fluch haftete an ihm: der Kopf war nicht mehr von seiner Hand zu trennen. Erst als Bhairava einen Fuß in die heilige Stadt Varanasi setzte, fiel der Kopf von ihm ab. An jener Stelle steht heute der Kaal Bhairava Tempel, der wichtigste Schutztempel der heiligen Stadt. Brahma lebte mit seinen vier Köpfen weiter, war aber fortan als Lügner bekannt.
Die Götter und Weisen baten Shiva, seine Form zu mäßigen, damit auch Sterbliche ihn verehren könnten. Aus Mitgefühl für die Welt zog Shiva seine unendliche Energie zusammen und erstarrte zu Stein. Die endlose Säule des Lichts manifestierte sich als ein stiller, majestätischer Berg auf der Erde.
So steht der uralte Berg in Tiruvannamalai als die physische Form Shivas, als stumme, ewige Erinnerung daran, dass die wahre, absolute Realität jenseits von Schöpfung und Erhaltung, jenseits von Ego und Streit liegt. Er ist nicht nur ein Berg aus Fels und Erde, sondern die erstarrte Flamme der Wahrheit, der nondualen Wirklichkeit.
„Arunachala ist wahrhaftig ein heiliger Ort. Von allen heiligen Orten ist er der heiligste! Wisse, dass er das Herz der Welt ist. Er ist wahrhaftig Shiva selbst! Er ist seine Herzensheimat, ein geheimer Kshetra. An diesem Ort wohnt der Herr für immer auf dem Hügel des Lichts namens Arunachala.“ Arunachala Mahatmyam
Ramana Maharshi war eins mit Arunachala
Die Geschichte des großen Heiligen Ramana Maharshi ist untrennbar mit dem Berg verbunden. Als Kind spürte er bereits die Anziehung durch den Berg, im Lauf des Lebens verschmelzte er immer mehr mit dem Absoluten, mit Shiva, mit dem Berg.
1. Der erste Ruf (bis 1896)
Venkataraman kannte seine Bestimmung noch nicht, als er beiläufig den Namen „Arunachala“ hörte. Dieses Wort traf ihn wie ein Blitz – nicht als Klang, sondern als tiefe innere Wahrheit. Im Alter von 16 Jahren, erlebte er eine spontane Todeserfahrung und erwachte, realisierte die Einheit. Er verließ sein Elternhaus mit einer Notiz und machte sich auf den Weg zum Berg – seinem geistigen Magneten.
2. Die Ankunft (1896–1899)
Am 1. September 1896 erreichte er Tiruvannamalai und fiel in tiefe Meditation im Arunachaleshvara-Tempel. Wochenlang blieb er in Samadhi, gänzlich eins mit dem Absoluten, während er vom Meditieren einen Dekubitus bekam und teils von Insekten zerfressen wurde. Er ließ sich gänzlich ein auf die Erfahrung und Erkenntnis des Absoluten.
„Das Ego in Gestalt der Ich-Vorstellung ist die Wurzel des Baumes aller Wahnvorstellungen: wird sie vernichtet, ist aller Wahn gefällt.“ Ramana Maharshi
3. Die Jahre auf dem Berg (1899–1922)
Ramana zog auf den Berg selbst, er lebte in Höhlen wie der Virupaksha-Höhle oder dem Skandashram. Über zwei Jahrzehnte saß er schweigend, doch seine bloße Gegenwart strahlte eine so tiefe Ruhe aus, dass Suchende aus ganz Indien kamen. Für ihn gab es keine Trennung zwischen ihm und dem Arunachala – er war der Berg. Tiere näherten sich ihm furchtlos, als spürten sie diese Einheit.
4. Der Ashram am Fuße (1922–1950)
Nach dem Tod seiner Mutter wurde auf ihrem Grab am Südhang des Arunachala ein Schrein errichtet, woraus sich der heutige Sri Ramana Ashram entwickelte. Er lebte dort bis zu seinem Tod, stets mit Blick auf den Gipfel. Er sprach vom Berg als dem größten Guru und lehrte, dass schon die bloße Umrundung (Girivalam) des Berges oder ein Gedanke an ihn spirituelle Reinigung bringe.
5. Die endgültige Vereinigung (1950)
Als Ramana Maharshi im April 1950 im Ashram starb, tröstete er seine Schüler: „Sie sagen, ich sterbe? Wohin sollte ich gehen? Ich bin hier.“ In diesem Moment zog ein heller Meteor über den Himmel und verschwand sanft hinter dem Gipfel – ein sichtbares Zeichen der Vereinigung des Weisen mit seinem ewigen Meister, dem Berg.
„Durch die unaufhörliche innere Nachforschung, die fragt «Wer bin ich?», wirst du dich selbst erkennen und dadurch Befreiung erlangen.“ Ramana Maharshi
Heute rund um den Berg
Neben den vielen indischen Pilgern kommen auch westliche Touristen nach Tiruvannamalai. Sie kommen auch, um den Berg und den Tempel zu sehen, aber vor allem um im Ramanaashram zu sein und die Energie von Ramana zu spüren. Es ist wirklich ein besonderer Ort, die Stille ist physisch spürbar.
So findet man in „Tiru“ einige Restaurants und Shops, die auf die Bedürfnisse westlicher Touristen ausgelegt sind. Insgesamt empfehle ich sehr, diesen Ort ein Mal aufzusuchen.
Pradakshina / Girivalam - Umrundung des Berges
Es gilt als segensreich, wenn man die 14 km im Uhrzeigersinn um den Berg herum läuft, idealerweise barfuß. Am besten, wenn man das Girivalam (Bergumrundung) bzw. Pradakshina (Umrundung eines heiligen Objektes) in einer Vollmondnacht macht. Noch besser, wenn es die Vollmondnacht im Nov/Dez ist, dann kommen ca. 500.000 Pilger zusammen.
Ich habe diese Umrundung mehrmals gemacht, ein Mal in einer Vollmondnacht. Es war wirklich ein besonderes Erlebnis für mich! Leider habe ich keine Bilder davon, aber ich bin froh, dass ich die kostbare Zeit nicht mit dem Handy vergeudet habe. 🙂
Der Arunachaleshwara Tempel am Fuß des Berges
Der Arunachaleshwara Tempel ist mit seinen 10 Hektar Größe wahrlich ein monumentales Meisterwerk drawidischer Baukunst, es ist einer der größten Tempelkomplexe Indiens. Gewidmet ist er Shiva, der hier als Element des Feuers verehrt wird. Seine vier massiven Gopurams (Tortürme), von denen der östliche mit über 66 m zu den höchsten des Landes zählt, dominieren die Skyline von Tuiruvannamalai.
Im Inneren entfaltet sich ein Labyrinth aus weitläufigen Höfen, Schreinen, Tempelteichen und Säulenhallen, die über Jahrhunderte von verschiedenen südindischen Dynastien erbaut und erweitert wurden. Der Tempel ist nicht nur ein architektonisches Juwel, sondern auch das pulsierende Zentrum des Glaubens in Tamil Nadu. Seit dem 7. Jahrhundert sind die Geschichten unzähliger Heiliger mit dem Tempel verbunden.